Stellungnahme der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung – Wissenschaftliche Vereinigung für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (VGR) e.V. („VGR“)
zu dem
Entwurf eines geänderten Corporate Governance Kodex vom 25. Oktober 2018
Die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex hat am 25. Oktober 2018 den Entwurf eines geänderten Corporate Governance Kodex veröffentlicht (nachfolgend der „Entwurf“) und zur Konsultation gestellt. Zu diesem Entwurf nehmen wir wie folgt Stellung, wobei wir bis auf die Abschnitte I. und VII. der Gliederung des Entwurfs folgen. Wir konzentrieren uns dabei auf neue Konzepte und Bestimmungen und gehen grundsätzlich nicht (erneut) auf Regelungen ein, die aus dem derzeit geltenden Kodex inhaltlich unverändert übernommen worden sind. Zu den durch den DCGK 2017 neu eingeführten oder geänderten Regelungen verweisen wir auf unsere Stellungnahme zum im November 2016 zur Diskussion gestellten DCGK-Entwurf, die in AG 2018, 1 ff veröffentlicht worden ist.
I. Konzeptionelles
1. Grundansatz einer Generalüberholung
Wir begrüßen den Mut der Regierungskommission, den DCGK einschließlich bisheriger Konzepte und Einzelbestimmungen einer Generalüberholung mit einzelnen Schwerpunkten wie Unabhängigkeit, Diversität und Vergütung zu unterziehen und weitere Einzelreformen einem späteren Zeitpunkt vorzubehalten. Das Bemühen, den Kodex zu entschlacken und zu verschlanken, wird nachhaltig unterstützt. Dass ein solch mutiger Schritt zu einer Vielzahl von Kritikpunkten an Konzepten und Einzelregelungen führen muss, ist nicht vermeidbar. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf derartige Kritikpunkte.
Die Mitteilung einer Begründung lässt die Überlegungen der Regierungskommission leichter nachzuvollziehen und ist ebenfalls zu begrüßen. Dass diese anders als etwa die Guidance im Vereinigten Königreich schlank ist, erscheint richtig.
2. Aufbau und Systematik
- Die Begründung betont auf S. 44, dass der Kodex zukünftig funktional gegliedert sein soll. Gegen eine Orientierung des Aufbaus an den einzelnen Funktionen der Leitung und Überwachung des Unternehmens bestehen keine Bedenken. Allerdings werden dabei Leitung und Überwachung funktional zusammengeworfen; aus unserer Sicht hätte es funktional näher gelegen, in Abschnitt A. deutlich zwischen der Leitung durch den Vorstand und der Überwachung durch den Aufsichtsrat zu unterscheiden, da dies prägend für das deutsche Two-Tier-System ist. Ursache für den von der Kommission gewählten, aus unserer Sicht für die deutsche Corporate Governance nicht optimalen Aufbau mag das (in der Begründung mehrfach erwähnte) Bestreben sein, sich an internationalen Trends zu orientieren. Ausländische CorporateGovernance-Systeme und Kodizes haben aber typischerweise allein monistische Strukturen im Blick. Wir empfehlen, gerade auch im Interesse ausländischer Leser die Besonderheit der Stellung des Aufsichtsrats auch im Aufbau deutlich zu machen.
- Insbesondere in Abschnitt A. erscheint uns die Gliederung noch nicht durchgehend intuitiv verständlich. Die systematische Reihenfolge der einzelnen Gliederungspunkte unter A. erschließt sich nicht unmittelbar. Die Gliederungspunkte springen zwischen aufsichtsratsspezifischen Themen (II., IV., V., VI., VII.) und übergreifenden Themen (I. und III.). Inhaltlich grundlegenden Themen wie Aufgaben und Verantwortlichkeiten unter I. folgen eher formale Regelungen zum Innenrecht von Organen (Ausschüsse des Aufsichtsrats (II.), später Aus- und Fortbildung (V.) und Selbstbeurteilung des Aufsichtsrats (VII.)). Den Abschnitt II. (Ausschüsse des Aufsichtsrats) hätte man eher hinter der bisherigen Ziffer VI. (Sitzungen und Beschlussfassung) erwartet. Den Abschnitt V. (Aus- und Fortbildung) könnte man unmittelbar vor die bisherige Ziffer VII. (Selbstbeurteilung des Aufsichtsrats) ziehen. Den wichtigen Teil IV. (Informationsversorgung) hätte man auch unmittelbar hinter I. (Aufgaben und Verantwortlichkeiten) platzieren können.
- Auf Basis des gewählten Ansatzes würde die Verständlichkeit erleichtert und die Gliederung nachvollziehbarer, wenn man einen neuen Abschnitt B. „Zusammenarbeit im Aufsichtsrat“ einführen würde und dort die bisherigen Unterabschnitte A. II., V., VI. und VII. verorten würde. Der Abschnitt A. „Leitung und Überwachung“ würde sich dann auf die Aufteilung der verschiedenen Leitungsfunktionen auf die Organe und das Zusammenspiel zwischen den Organen beschränken. Die Selbstorganisation des Aufsichtsrats würde dagegen in eigenen Abschnitten angesprochen.
- Auch in anderen Abschnitten sind verschiedene Empfehlungen unter der betreffenden Überschrift unsystematisch und würden von einem Leser in dem betreffenden Abschnitt nicht erwartet (z.B. B.15 und B.16, D.17).
3. Grundsätze / Umgang mit Gesetzeswiedergabe
- Der Verzicht auf eine ausführliche Wiedergabe des Gesetzes und die Konzentration auf Grundsätze ist im Ausgangspunkt zu begrüßen. Dadurch werden die Lesbarkeit vereinfacht, der Kodex gekürzt und Fehler bei der Gesetzeswiedergabe tendenziell vermieden.
- Problematisch erscheint uns allerdings, dass sich in den Grundsätzen z.T. Aussagen verbergen, die über das geltende Recht hinausgehen. Das gilt z.B. für Grundsätze 8 und 22, wonach der Vorstand bzw. der Aufsichtsrat bei der Besetzung von Führungspositionen auf Diversität achtet. Dies mag guter Corporate Governance und gelebter Praxis entsprechen, wird vom Aktiengesetz aber nicht verlangt und ist in der bisherigen Kodex-Fassung daher aus gutem Grund nur als Empfehlung enthalten (siehe Begründung, S. 45). Auch Grundsatz 18 (Unterstützung des Aufsichtsrats bei der Überwachung der Geschäftsführung) geht über die gesetzlichen Aufgaben des Abschlussprüfers hinaus (s. §§ 316 f., 321 HGB).
- Indem die Grundsätze geltendes Recht (das von jedem Emittenten beachtet werden muss) und „elementare Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung“ (Präambel Abs. 4) vermengen, schaffen sie unseres Erachtens nicht mehr, sondern weniger Transparenz. Eine klare Unterscheidung zwischen dem, was gesetzlich gefordert wird, und dem, was national oder international üblichen Standards guter Corporate Governance entspricht, ist gerade auch für ausländische Anleger hilfreich.
- Emittenten können gem. § 161 AktG zudem nur hinsichtlich der Empfehlungen, nicht hinsichtlich der Grundsätze des Kodex eine Nichtentsprechenserklärung abgeben. Folgten sie der apply-and-explain-Empfehlung (Entwurf A.19), müssten sie u.U. erklären, wie sie etwas umsetzen, was das Gesetz nicht verlangt, und was sie aus bestimmten Gründen im Einzelfall vielleicht auch gar nicht umsetzen möchten (Stichwort: Abweichungskultur).
- Aus diesen Gründen empfehlen wir, in die Grundsätze nur solche Aussagen aufzunehmen, die dem Aktienrecht - sei es in geschriebener, sei es in ungeschriebener Form – entsprechen. Darüber hinausgehende „Standards“ gehören in die Form einer Empfehlung oder Anregung.
4. Apply and explain
Der Entwurf führt im dritten Absatz der Präambel und Empfehlung A.19 das Konzept des „apply and explain“ ein, nach dem Vorstand und Aufsichtsrat erläutern sollen, auf welche Weise sie die Grundsätze des Kodex anwenden. Hier wird zunächst nicht klar, ob sich diese neue Erklärungspflicht nur auf die Grundsätze des Kodex bezieht (so der Wortlaut der Präambel und der Empfehlung A.19) oder ob auch die Anwendung der Empfehlungen und Anregungen erläutert werden soll. Nach der Begründung des Entwurfs ist letzteres gewollt (s. S. 47 und S. 57). Ungeachtet der Frage, ob eine so weitreichende Erklärungspflicht sinnvoll ist (dazu sogleich), sollte sich der Umfang der Erklärungspflicht nicht erst aus der Begründung, sondern aus dem Wortlaut des Kodex selbst ergeben.
Gegen die Empfehlung weiterer allgemein gefasster Informations- und Berichtspflichten sprechen aus unserer Sicht insbesondere die folgenden Gründe:
- Angesichts der schon derzeit überbordenden und unsystematischen Berichtserfordernisse sollten Gesetzgeber und Regierungskommission hohe Anforderungen an sich selbst stellen, zusätzliche Berichtserfordernisse durch dringende derzeit bestehende Informationsdefizite konkreter Stakeholder zu begründen.
- Der unter II.1. der Begründung zum Ausdruck kommende Gedanke, dass die Erläuterung der Anwendung der Grundsätze Aktionäre und andere Stakeholder in die Lage versetzen soll, die Ausgestaltung der Corporate Governance im Unternehmen zu beurteilen, überzeugt uns zur Rechtfertigung einer generellen, alle Grundsätze, Empfehlungen und Anregungen erfassenden Erläuterung nicht. Wir sehen insoweit im deutschen Recht, das mit der Erklärung zur Unternehmensführung bzw. dem bisherigen Corporate Governance-Bericht, dem Bericht des Aufsichtsrats und der Entsprechenserklärung schon bisher ausführliche Informationen zur Corporate Governance öffentlich zur Verfügung stellt, keine Defizite, die eine Empfehlung zusätzlicher Details zu allen Grundsätzen, Empfehlungen und Anregungen rechtfertigen könnten
- Viele der Grundsätze bedürfen aus unserer Sicht keiner Erklärung ihrer Anwendung. Gleiches gilt für eine Vielzahl der angewandten Empfehlungen und Anregungen, beispielsweise im Abschnitt A die Empfehlungen 1, 3 , 4 (wird ohnehin im Bericht des Aufsichtsrats oder der Erklärung zur Unternehmensführung erläutert), 5, 6, 7, 8, 9, 10, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22. Soweit zusätzliche Erläuterungen zu einzelnen angewandten Grundsätzen und befolgten Empfehlungen oder Anregungen für zweckmäßig gehalten werden, sollten konkret und begrenzt hierzu Erläuterungen empfohlen oder angeregt werden. Dies entspricht im Übrigen der Technik, die der Kodex schon bisher und auch der vorliegende Entwurf verwendet. Wir verweisen insoweit beispielhaft auf die Empfehlungen A.3, 8 und 14, in denen die Offenlegung zusätzlicher Informationen konkret empfohlen wird.
- In der Praxis wäre ohnehin eine sehr formalistische und letztlich standardisierte Erläuterung zu erwarten, würde diese generell auf alle Grundsätze, Empfehlungen und Anregungen bezogen.
- Das Verhältnis der „apply and explain“-Erklärung zu den relevanten Angaben zu Unternehmensführungspraktiken und der Beschreibung der Arbeitsweise von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 289f Abs. 2 HGB bleibt entsprechend unklar. In der Begründung wird zu Empfehlung A.19 selbst darauf hingewiesen, dass sich die empfohlene Erläuterung weitgehend mit den nach § 289f Abs. 2 Nr. 2 und 3 HGB in die Erklärung zur Unternehmensführung aufzunehmenden Angaben deckt. Warum die gesetzlich geforderten Angaben nicht ausreichen, wird nicht deutlich.
- Der Gesetzgeber hat im bisherigen § 161 AktG festgelegt, wozu sich die Verwaltung einer börsennotierten Gesellschaft jährlich zu erklären hat. Er hat sich darauf beschränkt, eine jährliche Erklärung dazu zu verlangen, in welchem Umfang die Unternehmen den Empfehlungen der Regierungskommission entsprochen haben und werden und warum Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden. Formal stellt Empfehlung A.19 keinen Verstoß gegen diese Vorgabe dar, da das apply-andexplain-Konzept in das Kleid einer Empfehlung gekleidet ist und jedes Unternehmen eine Abweichung erklären kann. In der Sache geht das Konzept aber inhaltlich über die Grundentscheidung des Gesetzgebers hinaus.
- Wir empfehlen daher die Aufgabe eines generellen „apply and explain“-Konzepts und die Streichung der Empfehlung A. 19. Soweit zusätzliche Erläuterungen zu einzelnen Empfehlungen für erforderlich gehalten werden, sollte dies wie bisher bei den betreffenden Empfehlungen klargestellt werden. Dadurch könnte auch der Empfehlung der EU Kommission vom 9.4.2014 (2014/208/EU) unter Ziffer 4 Rechnung getragen werden.
II. Präambel
- Absätze 1 und 2 sind noch nicht aufeinander abgestimmt. Ein und dasselbe Thema (die Verantwortung der Unternehmen und Unternehmensleiter über die reine Maximierung des Unternehmenswerts hinaus) wird in beiden Absätzen, allerdings unterschiedlich adressiert. Wir regen eine Zusammenführung und Glättung an. Dabei bietet sich die Streichung des zweiten Absatzes an, dessen Inhalt ohnehin kaum greifbar ist. Aktuell wird kontrovers diskutiert, ob sich Ethik für Unternehmen wirtschaftlich lohnen muss. Satz 2 des zweiten Absatzes deutet auf das auch in der wissenschaftlichen Literatur verbreitet vertretene Verständnis hin, dass sich die Berücksichtigung von Sozial- und Umweltfaktoren allein aus der Steigerung des Unternehmenserfolgs und nicht aus ethischen Prinzipien selbst rechtfertige. Für dieses Verständnis spricht auch die Einleitung des dritten Satzes („Im Interesse des Unternehmens stellen Vorstand und Aufsichtsrat sicher, ...“). Eine gegenläufige Richtung in der Literatur will der Verwaltung ethisches, über gesetzliche Anforderungen hinausgehendes Verhalten unabhängig davon erlauben, ob sich dies wirtschaftlich lohnt und der Unternehmenswert dadurch gesteigert wird. Uns ist unklar, ob die Regierungskommission zu dieser Diskussion wirklich, wie es den Anschein hat, Stellung nehmen wollte.
- 6. Absatz zu den Kompetenzen der Hauptversammlung: Der letzte Satz, wonach die Hauptversammlung „mit empfehlendem Charakter über … die Vergütung des Aufsichtsrats“ beschließt, ist insoweit nicht richtig. Die Hauptversammlung entscheidet nach § 113 AktG mit bindender Wirkung.
- Der Kodex ist derzeit auf börsennotierte Aktiengesellschaften und die dualistische SE ausgerichtet. Sonderregeln für monistische SE sind mangels praktischer Bedeutung nicht notwendig. Große praktische Bedeutung haben jedoch KGaA, bei denen die Rolle der Komplementärin heute typischerweise von einer Kapitalgesellschaft (AG, GmbH oder SE) übernommen wird. Die Möglichkeiten, die Corporate Governance individuell auszugestalten, gehen weit über die Möglichkeiten der AG hinaus (z.B. stärkere Einflussnahme eines Teils der Gesellschafter, die zugleich die Anteile an der Komplementärin halten; Installierung zusätzlicher Gesellschaftsorgane wie beispielsweise eines Gesellschafterausschusses; erweiterte Möglichkeit der Einflussnahme der Gesellschafter beispielsweise über einen Gesellschafterausschuss; Flexibilität bei der Ausgestaltung der Kompetenzen eines mitbestimmten Aufsichtsrats). Die Personalkompetenz für das Geschäftsleitungsorgan steht nicht dem Aufsichtsrat der KGaA, sondern dem der Komplementärin bzw. deren Gesellschafterversammlung zu. Um die Begrenzung des Ansatzes des Kodex deutlich zu machen, würde sich – ähnlich wie im letzten Absatz zu Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen – der Hinweis anbieten, dass die sich für die Corporate Governance von monistisch geprägten SE und KGaA ergebenden Besonderheiten trotz Anwendbarkeit des § 161 AktG im Kodex nicht berücksichtigt sind.
- Im Zusammenhang damit könnte sich ein ausdrücklicher Hinweis sowohl auf das dualistische System des deutschen Aktienrechts als auch die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat anbieten, die die beiden wesentlichen Besonderheiten des deutschen Corporate Governance Systems bei börsennotierten Unternehmen bilden und dem Kodex ja auch in der Tat zugrunde liegen.
- Der Kodex spricht institutionelle Anleger (lediglich) im drittletzten Absatz der Präambel an. Ein Trend in der internationalen Corporate-Governance-Entwicklung geht dahin, auch Grundsätze und Empfehlungen für das Verhalten von institutionellen Anlegern zu entwickeln. Wir begrüßen dennoch die Zurückhaltung der Regierungskommission. Eine Erweiterung des Inhalts des Kodex und der Zielgruppe über die Verwaltung des Unternehmens hinaus würde den Rahmen sprengen. Ob ein separater Kodex für institutionelle Investoren deutscher börsennotierter Gesellschaften zweckmäßig ist, muss die Zukunft zeigen. Die Kommission könnte überlegen, ob sie diesen Hinweis aufnehmen möchte.
III. Leitung und Überwachung (Abschnitt A.)
1. Aufgaben und Verantwortlichkeiten
Die Grundsätze 1 bis 3 geben die wichtigsten Grundsätze knapp und zutreffend wieder. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass das Gesetz keinen Vorstandsvorsitzenden oder sprecher vorschreibt. Der Grundsatz geht insoweit über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Eine AG, die keinen Vorstandsvorsitzenden oder -sprecher hat, hätte hier also Probleme beim „apply and explain“.
2. Ausschüsse des Aufsichtsrats
Grundsatz 9 beschränkt sich derzeit auf eine faktische Beurteilung ohne Bezug zur Gesetzeslage. Man könnte einen erläuternden Satz ergänzen, beispielsweise: „Der Aufsichtsrat kann aus seiner Mitte Ausschüsse bilden. Die Bildung von Ausschüssen ...“ Alternativ könnte der Grundsatz vollständig gestrichen werden.
3. Selbstbeurteilung des Aufsichtsrats
Empfehlung A.15, Satz 2: In der Praxis sieht man hilfreiche und lediglich formelhafte, oberflächliche Unterstützungen der Selbstbeurteilung des Aufsichtsrats durch Externe. Möglicherweise aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen mit externen Evaluationen ist die Beurteilung der Zweckmäßigkeit dieser Empfehlung ambivalent. Eine professionelle kritische und unabhängige externe Unterstützung kann hilfreich sein und den Sorgen einzelner Aufsichtsratsmitglieder, möglicherweise gerade auch den Arbeitnehmervertretern, eine Stimme geben. Eine unkritische externe Evalusierung kann dagegen Missstände zementieren. Als Kompromiss kommt einerseits die Empfehlung in Betracht, dass sich der Aufsichtsrat „auf Wunsch eines seiner Mitglieder“ alle drei Jahre bei seiner Selbstbeurteilung extern unterstützen lassen soll, andererseits die Empfehlung, dass der Aufsichtsrat alle drei Jahre darüber Beschluss fassen soll, ob er sich bei der Selbstbeurteilung extern unterstützen lassen möchte.
4. Transparenz und externe Berichterstattung
Grundsatz 17: Hier nimmt der Kodex zu der schwierigen rechtlichen Frage des Autors der Erklärung zur Unternehmensführung Stellung. Da, worauf die Begründung unter II.4. zu recht hinweist, die Erklärung zur Unternehmensführung Teil des Lageberichts ist und der Lagebericht allein vom Vorstand erstellt und vom Aufsichtsrat nur geprüft wird, widerspricht die Formulierung des Grundsatzes eigentlich der im Gesetz angelegten Kompetenzordnung. § 289f HGB spricht demgegenüber allgemein davon, dass börsennotierte Aktiengesellschaften eine Erklärung zur Unternehmensführung in ihren Lagebericht aufzunehmen haben, ohne zu präzisieren, welches Organ hierfür zuständig ist.
5. Zusammenarbeit mit dem Abschlussprüfer
Nach Empfehlung A.23 soll der Prüfungsausschuss regelmäßig eine Beurteilung der Wirksamkeit der Abschlussprüfung durchführen. Wir halten diese Empfehlung für überflüssig, da sich der Prüfungsausschuss ohnehin nach § 107 Abs. 3 S. 2 AktG mit der Abschlussprüfung, hier insbesondere der Auswahl und der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und der vom Abschlussprüfer zusätzlich erbrachten Leistungen, zu befassen hat. Nach § 171 Abs. 2 S. 3 AktG hat der Aufsichtsrat den Prüfungsbericht des Abschlussprüfers kritisch durchzusehen und zum Ergebnis der Prüfung Stellung zu nehmen. Was soll der Prüfungsausschuss darüber hinaus konkret machen und hat er dazu die Ressourcen? Es ist doch gerade so, dass der Abschlussprüfer den Aufsichtsrat unterstützt, da dieser begrenzte Ressourcen und auf dem Gebiet der Abschlussprüfung weniger Expertise hat.
IV. Zusammensetzung des Aufsichtsrats (Abschnitt B.)
1. Amtsdauer
Nach Empfehlung B.1 sollen Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite für nicht mehr als drei Jahre bestellt werden. Diese Empfehlung ist einerseits mutig und interessant, andererseits rechtlich unproblematisch. Das Aktiengesetz gibt in § 102 Abs. 1 AktG nur die Obergrenze vor. Trotzdem möchten wir Folgendes zu bedenken geben:
- Technisch könnte die Befolgung der Empfehlung auf zwei verschiedene Weisen erreicht werden. Zum einen könnte in der Satzung eine Amtszeit von drei Jahren für die Aufsichtsratsmitglieder festgesetzt werden. Dies würde dann zwingend für die Anteilseigner- und die Arbeitnehmervertreter gelten. Angesichts der aufwändigen, langwierigen und kostspieligen Verfahren zur Wahl der Arbeitnehmervertreter erschiene uns dies nicht sinnvoll.
- Zum anderen könnte es die Satzung bei der gesetzlichen Höchstdauer von fünf Jahren belassen und – wie in der Praxis üblich – die Bestimmung einer kürzeren Amtszeit bei der Wahl der Anteilseigner erlauben. Dies hätte zur Folge, dass eine Befolgung der Empfehlung bei mitbestimmten Unternehmen zu unterschiedlichen Amtszeiten der Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter führen würde. Es wäre kaum möglich, die Amtszeiten der Anteilseigner- und der Arbeitnehmervertreter zu synchronisieren, was in der Praxis durchaus Sinn machen kann. Die kürzeren Amtszeiten der Anteilseignervertreter könnten zumindest tendenziell zu einem stärkeren Gewicht der Arbeitnehmervertreter führen.
- Die bisherige fünfjährige Amtsdauer verhindert den kurzfristigen Austausch des Vorstands. Dies zu verändern, kann gewollt sein, muss aber nicht im Interesse des Unternehmens liegen.
- Der in der Begründung gegebene Hinweis auf den internationalen Vergleich und die internationale Entwicklung trägt kaum. Weder die deutsche Mitbestimmung noch die unterschiedliche Ausgestaltung der Aktionärsrechte, insbesondere die mit häufigeren Wahlen verbundenen erhöhten Risiken aufgrund der Besonderheiten des deutschen Beschlussmängelrechts werden dabei berücksichtigt. Soweit im Ausland kürzere Amtszeiten für Board-Mitglieder empfohlen werden, ist auch nicht immer erkennbar, ob diese primär auf die Executive-Mitglieder, die eher dem Vorstand der deutschen AG entsprechen, oder die Non-Executive-Mitglieder abzielen.
- Auffällig ist, dass die fünfjährige Amtszeit auch für Anteilseignervertreter in Deutschland absolut üblich ist. Die von der Kommission auf S. 48 gegebene Begründung für kürzere Amtszeiten haben bisher offenbar weder die Unternehmensleitungen noch die (international agierenden) Aktionäre veranlasst, diese Praxis zu ändern.
2. Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder
- B.7/8: Die Konkretisierung der Kriterien für Unabhängigkeit in Empfehlung B.8 wird begrüßt. In der Praxis haben die Empfehlungen zur Unabhängigkeit besondere Bedeutung für Konzernverhältnisse und die Beziehungen zu kontrollierenden Gesellschaftern. Die Kommission sollte überlegen klarzustellen, was sie unter Kontrolle und einem kontrollierenden Aktionär versteht. Das Übernahmerecht stellt pauschal auf einen Stimmrechtsbesitz von 30% ab, das Konzernrecht primär auf die Mehrheit in der Hauptversammlung; auch das Bilanzrecht folgt eigenen Regeln.
- Die Empfehlungen B.15 und B.16 passen nicht recht zur Überschrift „Unabhängigkeit“. Systematisch liegt es näher, B.15 und 16 unter Grundsatz 20 zu platzieren.
V. Besetzung des Vorstands (Abschnitt C.)
Bereits oben wurde empfohlen, die Grundsätze auf eine (vereinfachte) Wiedergabe des Gesetzes zu begrenzen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass (auch) Grundsatz 22 das Gesetz in verschiedener Hinsicht nicht zutreffend wieder gibt. Nach Grundsatz 22 entscheidet der Aufsichtsrat über Größe und Ressorts des Vorstands; nach geltendem Recht kann der Aufsichtsrat das tun, er kann es aber auch – zumindest was Ressorts angeht – dem Vorstand selbst überlassen (vgl. § 77 Abs. 2 AktG), und auch die Satzung kann Vorgaben zur Zahl und Qualifikation machen. Der Aufsichtsrat muss auch nicht – wie Grundsatz 22 behauptet – „auf die gebotene [wer gebietet das?] Diversität achten“. Auch hier zeigt sich, dass eine klare Trennung zwischen den vom Gesetzgeber vorgegebenen und den selbst entwickelten Regeln Sinn macht und das Verständnis von und die Diskussion über Corporate Governance erleichtert.
VI. Vorstandsvergütung (Abschnitt D.)
1. Konzeptionelles
Der Kodex geht davon aus, dass die Corporate-Governance-Diskussion oder die Betriebswirtschaft zu für alle börsennotierten Unternehmen klar überlegenen und daher empfehlenswerten Vergütungskonzepten geführt hat. Wir bezweifeln, dass dies zutreffend ist. Vielmehr sind wir der Auffassung, dass die Gestaltung der Vergütung eine unternehmensindividuelle Aufgabe ist, die vom Aufsichtsrat individuell angegangen werden muss. Häufig haben bestimmte Vergütungskonzepte jeweils Vorzüge und Nachteile; die Abwägung fällt nicht bei allen Unternehmen gleich aus.
Nach Empfehlung D.7 Satz 1 soll die kurzfristig variable Vergütung in bar ausbezahlt werden. Nach Empfehlung D.7 Satz 2 soll die langfristig variable Vergütung (nur) in Aktien der Gesellschaft gewährt werden, die mindestens vier Jahre lang nicht veräußert werden können. Wir halten jedenfalls derartig enge Empfehlungen aus den folgenden Gründen nicht für zweckmäßig (wobei auch entsprechende Anregungen einer überzeugenden Begründung bedürften).
- Insbesondere für die Festlegung der LTI-Komponente auf ein einziges System können wir keinen nachvollziehbaren Grund erkennen. Aus unserer Sicht wäre eine sehr stichhaltige Begründung der Überlegenheit dieses Vorschlags erforderlich, um eine Empfehlung für die Unternehmen zu rechtfertigen.
- Auch die Erreichung strategischer Ziele kann anhand der Erreichung finanzieller Kennzahlen gemessen werden. Ob die Bewertung des langfristigen Erfolgs im Gewährungsjahr eingeleiteter strategischer Maßnahmen allein dem Markt überlassen bleiben soll, wie dies die Regierungskommission vorschlägt, oder auf Basis zukünftiger fundamentaler finanzieller Kennziffern des konkreten Unternehmens im Vergleich zur Planung bestimmt wird, sollte dem Aufsichtsrat überlassen bleiben. Im Übrigen spiegelt die Marktbewertung ja gerade nicht nur die Bewertung der Umsetzung strategischer Maßnahmen durch den Kapitalmarkt wider, sondern berücksichtigt einerseits auch makroökonomische Änderungen und wird andererseits auch durch konkrete Maßnahmen des Vorstands selbst (z.B. Aktienrückkauf) beeinflusst.
- Die variable Vergütung, insbesondere die langfristige, ist eng mit den KPIs der Unternehmensführung und der Vergütung der übrigen Mitarbeiter zu verknüpfen. Jedenfalls sollte den Unternehmen die derzeit häufig genutzte Möglichkeit verbleiben, die Vorstandsvergütung und die Vergütung sonstiger Führungskräfte und Mitarbeiter konzeptionell gleich auszugestalten, ohne eine Abweichung erklären zu müssen.
- Angesichts der enormen Schwierigkeiten und des administrativen Aufwands für Aktiengeschäfte von Vorstandsmitgliedern sollten Unternehmen nicht dazu gedrängt werden, Vergütungsbestandteile in Aktien auszuzahlen. Schon der Verdacht von Insidergeschäften hat erhebliche Risiken für die Reputation des Unternehmens zur Folge, die den Verzicht auf die Gewährung physischer Aktien rechtfertigen.
- Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Empfehlungen einer breiten, und flexibleren Praxis widersprechen. Häufig wird nicht der LTI sondern der STI teilweise in Aktien gewährt, wodurch er zu einem (teilweisen) LTI wird.
- Die Empfehlungen hätten zur Folge, dass zahlreiche Unternehmen unserer Erachtens unnötigerweise Abweichungserklärungen mit Begründungen geben müssten. Das wiederum könnte die Bedeutung des DCGK beeinträchtigen.
2. Sonstige Empfehlungen zur variablen Vergütung
- Nach Empfehlung D.4 soll die Aufteilung auf Festvergütung und variable Vergütungselemente die unterschiedlichen Anforderungen an die Aufgaben der jeweiligen Vorstandsmitglieder berücksichtigen. Diese Empfehlung überzeugt unsnicht. Warum soll der Aufteilungsschlüssel nicht abstrakt für alle Vorstandsresorts einheitlich bestimmt werden?
- Nach Empfehlung D.5 sollen die Gewährungsbeträge aller variablen Vergütungsteile allein von der Erreichung der für die betreffende Periode jeweils vorher festgelegten Ziele abhängen. Wir verstehen die Empfehlung so, dass sich die Regierungskommission gegen reine Ermessenstantiemen wendet. Die Erklärung einer Abweichung wäre erforderlich, wenn auch nur ein geringer Teil der variablen Vergütung in das Ermessen des Aufsichtsrats gestellt ist. Macht es nicht Sinn, dass der Aufsichtsrat bei der finalen Bestimmung der variablen Vergütung auch nicht vorhergesehene oder sogar nicht vorhersehbare Umstände in angemessenem Umfang mit berücksichtigt? Gerade die Möglichkeit, in den Zielvorgaben (z.B. Umsatzkennzahlen) nicht berücksichtigte Negativentwicklungen (ComplianceVorfälle, Reputationsschäden, usw.) im Wege eines Malus bei der Bestimmung der variablen Vergütung zu berücksichtigen, kann für die Zweckmäßigkeit weiter gefasster variabler Vergütungselemente sprechen. Dies gilt umso mehr, als nach Empfehlung D.2. jährliche Höchstbeträge für die (wohl) jährlichen Ziele festgesetzt werden sollen. Wir sehen auch einen Widerspruch zur Empfehlung D.12; das Konzept eines Malus und die Voraussetzungen für den Einbehalt oder die Rückforderung variabler Vergütung in begründeten Fällen werden kaum den Anforderungen der Empfehlung D.5 genügen.
- Nach Empfehlung D.8 soll der Aufsichtsrat zur Bestimmung der konkreten ZielGesamtvergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder eine geeignete Vergleichsgruppe anderer Unternehmungen heranziehen, deren Zusammensetzung (mit Namensnennung?) er offen legt. Die Erfahrung zeigt, dass der im nächsten Satz angesprochenen Gefahr der automatischen Aufwärtsentwicklung bei Berücksichtigung von Peer-Groups kaum zu begegnen ist. Kein Unternehmen wird offenlegen wollen, dass es Führungskräfte im Vergleich zu einer Vergleichsgruppe schlechter vergütet. Dies käme einer öffentlichen Einladung zum Abwerben gleich. Die typische Vorgabe ist eine Platzierung im obersten Quartil. In Summe führt dies tendenziell zu einem Aufwärtstrend. Warum soll sich ein Unternehmen nicht bewusst gegen diesen Mechanismus stellen und auf den Vergleich mit einer offengelegten Peer Group verzichten. Im Übrigen ist dies eine Aufgabe, die nur Vergütungsberater leisten können. Die Empfehlung kommt einer Teilentmündigung des Aufsichtsrats gleich.
- Nach Empfehlung D.9 soll die langfristig variable Vergütung vor allem Anreiz zur Umsetzung strategischer Maßnahmen sein. Die entsprechenden Ziele sollen sich deshalb aus der aktuellen strategischen Planung für das betreffende Geschäftsjahr ableiten. Der kurzfristig variablen Vergütung sollen Ziele der operativen Jahresplanung zugrunde liegen. Aus unserer Sicht liegt dieser Empfehlung eine beschränkte Sicht auf die Funktion variabler Vergütungsbestandteile zugrunde. Dient ein LTI nicht auch dazu, der Eingehung überzogener Risiken, die sich langfristig auswirken, und einer Optimierung des STI entgegenzuwirken? Dass die finanziellen Ziele für variable Vergütungsbestandteile aus der aktuellen Planung abzuleiten sind, erscheint selbstverständlich.
- Der Inhalt der Empfehlung D.11, wonach die Zielerreichung dem Grunde und der Höhe nach nachvollziehbar sein soll, ist nicht ganz klar. Wir verstehen dies so, dass die zumindest nachträgliche Offenlegung der vom Aufsichtsrat bestimmten Zielwerte empfohlen wird, wie sich aus der Begründung zu Empfehlung D.11 ergibt. Gerade bei einer individuell an konkreten strategischen und operativen Zielen des betreffenden Jahres orientierten Vergütung lassen sich aus der Offenlegung der Zielwerte sehr weitreichende Schlüsse auf die Unternehmensstrategie ziehen. Wir halten es für verständlich und häufig sinnvoll, von einer solchen Veröffentlichung abzusehen.
- Das Verhältnis von Empfehlung D.11 zu Empfehlung D.12 ist unklar. Wenn der erste Satz von Empfehlung D.12 auch außergewöhnliche Umstände erfassen soll, die eine Erhöhung der sich rein rechnerisch auf Basis der Zielvorgaben ergebenden Vergütung verlangt, wäre damit eine Abweichung von Empfehlung D.11 verbunden.
- In Satz 2 von Empfehlung D.12 wird empfohlen, dass in begründeten Fällen eine variable Vergütung soll einbehalten oder zurückgefordert werden können. Zu begrüßen ist, dass der Zusammenhang zwischen Einbehalt noch nicht ausgezahlter Vergütungsbestandteile (“Malus“) und Rückforderung bereits gezahlter Bestandteile („Clawback“) gesehen wird. In der Praxis ist der Malus gerade zum Schutz vor reputationsschädigender Auszahlung hoher variabler Vergütungsbestandteile nach Bekanntwerden beispielsweise von Compliance-Vorfällen und Trennung von dem zuständigen Vorstandsmitglied von größerer Bedeutung als ein entsprechender Clawback. Im Übrigen beschränkt sich die Kommission allerdings auf für die Praxis kaum hilfreiche Gemeinplätze. Unter dem Oberbegriff Clawback werden in der Praxis völlig unterschiedliche Konzepte diskutiert. Die Berechtigung zur Rückforderung knüpft teilweise daran an, dass sich Performance-Ziele nachträglich als nicht wirklich erreicht herausstellen, teilweise wird an ein Fehlverhalten des Betroffenen, teilweise an Fehlverhalten im verantworteten Bereich angeknüpft. Eine intensivere wissenschaftliche Diskussion um Zweckmäßigkeit und Zulässigkeit von Clawback-Gestaltungen hat gerade erst begonnen. Im Übrigen kann die Zweckmäßigkeit eines Clawback nicht ohne Zusammenschau mit der Gestaltung insbesondere des LTI und der Dauer der Bemessungszeiträume beurteilt werden. Entsprechend bleibt der Inhalt dessen, was den Unternehmen empfohlen wird, unklar. Wir hielten es, wenn die Kommission das Thema Clawback bereits zu diesem Zeitpunkt aufgreifen möchte, daher für wünschenswert, wenn der Kodex zu dessen empfohlener Ausgestaltung klare Hinweise gäbe. Schließlich müssen sich die Unternehmen nach ARRL und ARUG II hierzu erklären.
- Nach Empfehlung D.13 sollen nach Beendigung eines Vorstandsvertrags sämtliche bestehenden Vergütungs- und Zuflussregelungen fortgelten. Die Formulierung der Empfehlung kann Anlass zu Missverständnissen geben. Wir verstehen sie so, dass sie allein die Auszahlung noch offener variabler Vergütungsbestandteile betrifft, die auf die Zeit bis zur Vertragsbeendigung entfallen. Danach erfordern übliche Ausscheidensvereinbarungen, bei denen auch variable zukünftige Vergütungsansprüche in einem Betrag abgefunden werden, eine Abweichungserklärung, obwohl die Vergütung keinerlei präventive verhaltenssteuernde Wirkung mehr entfalten und das ausscheidende Vorstandsmitglied die weitere Geschäftsentwicklung nicht mehr beeinflussen kann. Beim vorzeitigen Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds haben beide Seiten häufig ein Interesse daran, nicht noch über einen längeren Zeitraum in einer geschäftlichen Beziehung zu stehen. Wir halten die Empfehlung daher nicht für zweckmäßig.
- Empfehlung D.17, wonach Vorstandsmitglieder nicht Vorsitzende von Aufsichtsgremien in konzernfremden Unternehmungen sein sollen, überzeugt. Sie, betrifft aber nicht die Vergütung und überrascht an dieser Stelle. Der Begriff Aufsichtsgremien könnte präzisiert werden; gemeint sind wohl primär Aufsichtsräte, daneben wohl auch Gesellschafterausschüsse und Beiräte, nicht aber deren jeweilige Ausschüsse.
3. Vergütungsbericht
Grundsatz 30 verweist hinsichtlich des Vergütungsberichts lediglich darauf, dass ein solcher „nach den gesetzlichen Bestimmungen“ erstellt wird. Der Nutzen für den Anleger erscheint uns begrenzt, der gesamte Grundsatz entbehrlich.
VII. Sonstige Regelungen
- Zur Aufsichtsratsarbeit könnte überlegt werden, eine Empfehlung dazu aufzunehmen, dass der Aufsichtsrat die Befugnis hat, eigenverantwortlich über die Verwendung und Finanzierung der aus seiner Sicht für seine Arbeit erforderlichen Ressourcen zu entscheiden.
- Angesichts der heute bestehenden technischen Möglichkeiten, der Internationalität des Aktionariats und des Aufwands für die Aktionäre, der regelmäßig mit dem Besuch einer Hauptversammlung verbunden ist, sollte die Kommission überlegen, den Unternehmen zu empfehlen, von den aktienrechtlichen Möglichkeiten zur Übertragung der Hauptversammlung im Internet und die elektronische Ausübung des Stimmrechts Gebrauch zu machen.
- Ziff. 2.2.4 des bisherigen Kodex zur Dauer einer ordentlichen Hauptversammlung ist nicht übernommen worden. Diese Empfehlung war in der Praxis der Hauptversammlung hilfreich für den Umgang mit Rede- und Fragezeitbeschränkungen.
- Aus der Praxis wird berichtet, dass Stimmrechtsberater den Unternehmen auf der einen Seite entgeltliche Beratung zu Fragen der Corporate Governance (etwa im Zusammenhang mit Kapitalmaßnahmen oder Vergütungssystemen) anbieten, auf der anderen Seite Einfluss auf das Stimmverhalten der Investoren nehmen. Wir ermuntern die Kommission zu empfehlen, dass Beratungsverträge der Gesellschaft mit Stimmrechtsberatern und mit ihnen verbundenen Unternehmen offengelegt werden sollen.
An der vorliegenden Stellungnahme haben die folgenden Mitglieder mitgewirkt, die zugleich Mitglied des Vorstands oder des Beirats der VGR sind oder waren: Prof. Dr. Holger Altmeppen, Prof. Dr. Gregor Bachmann (Berichterstatter), Prof. Dr. Walter Bayer (Berichterstatter), Prof. Dr. Wulf Goette, Prof. Dr. Mathias Habersack (Berichterstatter), Prof. Dr. iur. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff, Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Klaus J. Hopt (Berichterstatter), Prof. Dr. Katja Langenbucher, Prof. Dr. Reinhard Marsch-Barner, Prof. Dr. Jochen Vetter (Berichterstatter)